Chop Suey – vom Chinarestaurant in die Küche

Chop Suey – vom Chinarestaurant in die Küche

Das Große Mauer ist gefallen. Das China-Restaurant „Große Mauer“ gleich neben dem S-Bahnhof Schöneberg, gab vor einigen Jahren auf. Es verabschiedete sich still. An seiner Stelle entstand ein vietnamesisches Restaurant.

Das China-Restaurant am Tempelhofer Hafen steht nicht mehr. In den letzten Wochen hing ein Zettel an der Tür, der den Vermieter beschuldigte, plötzlich nicht mehr an der Fortführung des Vertrags interessiert zu sein. An seine Stelle trat ein Kombinationsladen aus Dönerbude /Pizzabringdienst / Hamburgerrestaurant, das im Frühjahr 2019 „wegen Renovierung“ schloss und seitdem nie wieder öffnete.

Der klassische „Chinese“ verschwindet – das Restaurant, dessen Inneneinrichtung immer an Holzschnitte aus Kolonialzeiten erinnerte. Im Innern ein Aquarium, dunkles Holz, auf der Karte unweigerlich gebratener Eierreis, Schweinefleisch Süß-Sauer und Chop Suey. Immer war es generisch „China“, die Kundschaft nicht mit Details dieses Landes belastend.

Seine Nachfolge traten Schnellimbisse mit Nudelboxen an, nun generisch „Asien“, und zumindest in Berlin, Restaurants die sich authentischer geben, sich ein an Publikum wenden, bei dem die Cousine drei Accounts von Chinesen folgt und für die „Chop Suey“ überholt wirkt.

Chop Suey verschwindet. Der Klassiker des China-Restaurants, klein geschnittenes Gemüse, klein geschnittenes Fleisch und die unverkennbare Sauce – Europa holt nach, was in den Vereinigten Staaten vor 50 Jahren geschah.

Chop Suey wurde von chinesischen Restaurantbetreibern Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA erfunden. In den USA war das Gericht erfolgreich genug, dass China-Restaurants gerne „Chop Suey Houses“ genannt worden, Edward Hopper ein Gemälde „Chop Suey“ nennen konnte, wie es verschiedene Songs zum Thema gab. In den 1970ern verschwand es von den Speisekarten. Wurde wie in den 2000ern in Europa durch regionalere Gerichte ersetzt, die einen Tick näher an China waren als vorher.

Und trotzdem: Es blieb in der kollektiven Erinnerung. Eine Schar von Kulturwissenschaftler und Anthropologen stürzte sich darauf, widmete dem Gericht und seiner Bedeutung für Sino-Amerikaner Bücher, und Aufsätze und Blogposts. Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, mag dort lesen. Ich stelle mir jetzt einfach vor, Gast in einem Chinatown-Restaurant der 1920er zu sein, zu sehen wie Louis Armstrong seine Leibspeise ist und die Idee zu Cornet Chop Suey hat.

In Deutschland kam das Gericht erst in den 1970ern jetzt in Mode. Gab es in Berlin in den 1960ern zum Beispiel nur eine Handvoll chinesicher Restaurants, die sich alle eher im Luxussegment verorteten, demokratisierte sich das ganze in den 1970ern. Das Angebot wurde breiteren deutschen Bevölkerungsschichten angepasst, die Einstiegshürde gesenkt, Klassiker der west-östlichen Küche kamen nach Deutschland. Schweinefleisch Süß-Sauer und Chop Suey, bis nach Langenhagen bei Hannover an den Söseweg.

Die großartigste Quelle für Chop Suey steht noch. Entgegen allen Trends hat das Chinarestaurant „Fu Yüan“ in Langenhagen weiterhin geöffnet. Es serviert weiterhin „chinesisches Essen“ und hat weiterhin dieses Handgeschnitztes-Holz-mit-Drachen-Ambiente, das Deutsche meines Alters in einem Chinarestaurant im Tiefen ihres Innern erwarten.

Selten, aber verlässlich waren wir da. Am Tag der Zeugnisausgabe, für mich immer ein sehr schöner Tag, wurde es noch schöner, weil wir mittags zum Chinesen gingen. Meist wollte ich Schweinefleisch Süß-Sauer. Aber manchmal war ich auch abenteuerlustiger, wollte das intensiver aromatisierte Gericht mit dem C.

Leider ist es schwieriger nach Langenhagen zu kommen. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass man Chop Suey auch selber machen kann. Aber meine Kochbuchchallenge über „Die 100 berühmtesten Rezepte der Welt“ führte mich auch dort vorbei. Meine Neugier war geweckt: Wie funktioniert dieses Gericht? Kann ich es selber zubereiten? Und das Testkochen war ein Erfolg, die ganze Küche roch erfolgreich nach Fu Yüan.

Testkochen – der Überblick

Beim Rezept orientierte ich mich im Wesentlichen an dem Rezept von „I am a foodblog“, die versuchen den Spagat zu schaffen zwischen „so wie es damals schmeckte“ und „wir leben in den 2000ern, wir haben viele Möglichkeiten, die es damals nicht gab.“ Alle Zutaten sollten sich heutzutage in einem deutschen Supermarkt besorgen lassen.

Das einzige Zutaten-Problem könnte geröstetes Sesamöl sein. Das sollte in besseren Supermärkten auch auffindbar sein, beim Markt um die Ecke gibt es vielleicht Probleme. Das Sesamöl halte ich für unabdingbar. Bei allen anderen Zutaten kann man experimentieren und substituieren.

Das Rezept läuft so ab: Fleisch marinieren – danach in Wok oder Pfanne nacheinander Sauce, Fleisch und Gemüse braten – am Ende mit dem Reis zusammen servieren.

Das Rezept

Zutaten

Mariniertes Fleisch

Ein Filetsteak (300-400 Gramm)

Ein Teelöffel Soja-Sauce

Ein Teelöffel Oyster Sauce (oder Worcesterhire-Sauce)

Ein Teelöffel Speisestärke

Ein Teelöffel geröstetes Sesamöl

Drei Knoblauchzehen

Sauce

Ein Esslöffel Sojasauce

Ein Esslöffel Oyster Sauce (oder Worcestershiresauce)

Anderthalb Esslöffel Speisestärke

250ml Brühe

Ein Teelöffel Zucker

½ Esslöffel geröstetes Sesamöl

Ein Teelöffel Sherry (alternativ Reiswein)

Gemüse

Ein Dosengemüse (Champignons oder Bambussprossen)

Ein Brokkoli

Vier Möhren

Zwei Paprika

(Optional: Chillies)

Zubereitung

Fleisch in mundgroße Streifen schneiden. Marinade aus allen Zutaten zusammenrühren. Mindestens eine halbe Stunde stehen lassen. (Knoblauchzehen entweder so klein schneiden, dass sie im Gericht bleiben können, oder so groß lassen, dass ihr sie danach wiederfindet)

Gemüse klein schneiden – ich habe den Brokkoli sehr kurz angedünstet, damit er am Ende nicht zu hart bleibt

Reis aufsetzen. Nach Packungsangabe zubereiten.

In Pfanne/Wok die Zutaten der Sauce zusammenrühren und etwa zwei Minuten köcheln lassen, bis die Sauce angezogen hat und leicht dickflüssig/sämig wird. Sauce in ein anderen Gefäß füllen.

Etwas Bratöl in der Pfanne füllen. Nun das Fleisch drei bis vier Minuten braten, bis es durch ist. Fleisch in ein anderes Gefäß füllen.

Gemüse in die Pfanne geben, ebenfalls ein bis zwei Minuten braten. Danach Sauce und Fleisch wieder in die Pfanne geben. Das komplette Gericht zwei bis drei Minuten bei mäßiger Wärme durchziehen lassen.

Mit Reis zusammen servieren. Und natürlich die deutsche Variante des Cornet Chop Sueys hören:

5 thoughts on “Chop Suey – vom Chinarestaurant in die Küche

    1. Jetzt habe ich meinen Lieblingsasiaten gefunden. Das Restaurant besteht schon seit Jahren, der Betreiber ist neu. Er bereitet meine Lieblingssuppe zu. Sam-Sien Suppe. Das Grundrezept für die Brühe habe ich noch nicht herausgefunden. Daher muss ich 4,20€ für die Suppe blechen. Aber der Geschmack der diversen Gerichte ist sehr gut und das Essen ist reichlich. Der “ Golden-Palast” in Osterode am Harz ist den Besuch wert. Leider hat er keinen Lieferdienst. Und den Griechen gibt es auch noch. Drei mal in Osterode. Bei Ioanna’s “Hellas” im Langen krummen Bruch gibts noch richtig original griechische Küche. Kalo orexi und yammas!

  1. Glücklicherweise gibt es bei meinen Eltern in Hamburg-Sasel direkt um die Ecke noch einen „althergebrachten“ Chinesen (und die Straße hoch Richtung Bergstedt noch einen weiteren im „Hein-Ten-Hoff-Haus“, offenbar hatte der Profiboxer dort früher eine Gastwirtschaft). Bei dem Chinesen, der allen hergebrachten Klischees es 70er-Jahre-Chinarestaurants mit Drachenfiguren, viel zu dunkler Holzathmosphäre, gestapelten Tellerwärmern (auf sowas wird in US-Krimis doch immer geschossen, weil es so schön laut klackert) und einem Aquarium entspricht, geht sogar die chinesische Nachbarin meiner Eltern essen.

    1. Lustigerweise, der einzige Chinese, der ununterbrochen durchhält, ist ausgerechnet der aus meiner Kindheit. Vielleicht liegt es daran, dass er in einem Klischee-70er-Jahre-Waschbeton-Minieinkaufszentrum sitzt und Chinese und Gebäude gemeinsam den Zeitläufen widerstehen.

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