Nasi Biryani und Singapur
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Singapur und ich wollten einfach nicht zusammen kommen. Oft entstehen Texte bei mir, indem ich die Augen schließe: Ich denke an etwas und dann taucht vor meinem inneren Auge ein Bild, eine Szene, auf, von der ich aus ich dann weiterkomme.
Bei Singapur: Nichts. Oder fast nichts: Hochhäuser, Hawker-Markets, Durian-Verbotsschilder, ein Gefühl von Schweiß – aber alles blieb zweidimensional, flach, wie durch einen Fernseher; Im Vergleich wirkt selbst das Computerspiel Call of Duty 3: Black Ops – Sack of Singapore lebendig.
Alles erschien mir wie durch einen dutzendfachen Klischee-Zerrspiegel gedreht – Streetfood mit Michelin-Stern und Welterbeanspruch, Auspeitschungen für’s Kaugummi-Essen, Hightech-Kapitalismus, tropisch überwachsene und leicht vermoderte britische Kolonial-Herrlichkeit, konserviert im Raffles-Hotel und dem Singapore Sling. Zu weit weg für meine Vorstellung. Alles Oberfläche. Postkartenbilder, die nicht zum Leben erwachen wollen.
Blick auf Marina Sands Bay aus dem Garden by the Bay. Bild: Marina-Sands-Bay-2017-Luka-Peternel Fotograf: Luka Peternel Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International
Ich dachte, wenn es schon nicht für eigene Bilder im Kopf reicht, dann vielleicht für Fremde. In Pirates of the Caribbean spielen einige Szenen in Singapur – in der Stadt selbst anscheinend ein echtes Kultphänomen. Aber: Diese Szenen sind noch nebliger als Call of Duty.
Fremde Bilder
Bilder aus Crazy Rich Asians vielleicht – der Überraschungsfilmerfolg aus dem Jahr 2018. Eine Amerikanerin mit Wurzeln in Singapur verliebt sich in einen jungen Mann aus Singapur, der sich als zukünftiger Erbe eines Vermögens der Fantastilliarden herausstellt – aber seine Familie ist gegen die Verbindung. Die üblichen Verwerfungen kommen auf, gefilmt vor der Kulissen des Lebens der Superreichen in Singapur.
Für eine erfolgreiche Mainstream-Komödie war es anscheinend ein besserer Film. Aber mein vages Gefühl bringt ein Filmkritiker aus Singapur auf den Punkt: „Der Film ist nicht für Singapur, sondern ist ein High-Fantasy-Hollywood-Film, der Amerikanier mit Wurzeln in Fernost maximal ansprechen soll.“
Weiteres Suchen: Der Film „A Land Imagined“ – passt vom Titel zu meinen Vorstellungsproblemen und gewann 2018 den Goldenen Leoparden auf dem Filmfestival Locarno.
Noch besser: Der Film wird auf dem Streamingdienst mit N gestreamt. Vielleicht hilft mir eine entspannte Filmsession auf innere Bilder zu kommen.
Mal wieder das N-Wort in den Browser eingegeben. Ich kam schnell zum Game Over: Unser Weihnachtsstreaming-Gutschein ist abgelaufen: „Ihre Mitgliedschaft ist derzeit unterbrochen. Wir helfen gerne weiter. Fügen Sie ihre Zahlungsinformationen hinzu, um mit dem Streaming fortzufahren.“ Da wir aus gutem Grund nicht dauerhaft Mitglied sein wollen, will ich nicht verlängern. Also weiter nichts.
A Land Imagined
Ich seufzte.
DJ Hüpfburg kickte einen Kiesel ins Gleisbett der Berliner Ringbahn. An unserer Station, Tempelhof, fuhr ein überraschend langer Güterzug voller geschlossener Wagen über den Südring. „So viele Wagen hier?“ Hüpfburg wunderte sich. „Und alle identisch im Aussehen ohne weitere Kennzeichen? Sind das Panzerfäuste für die Ukraine?“
Sie seufzte.
„Aber“, hakte sie ein. „Du hast doch eine blühende Vorstellungskraft. Musst Du wirklich einen Film sehen, um ihn zu beschreiben? Es gibt doch Trailer und Filmseiten.“
Da hatte sie recht. Es folgt A Movie Imagined. „A Land Imagined“ wurde produziert in Singapur, Filmsprachen sind Mandarin, Englisch und Bengali. Der Neo-Noir Thriller spielt in der Welt der migrantischen Arbeiter in der Stadt, zwischen Baustellen, einem Computerspielcafé (ohne Call of Duty, das Spiel im Film spielt in Wüstenlandschaften) und in den Wohnheimen der Arbeiter. Zwei der Protagonisten leiden an Schlaflosigkeit, so dass der Film sich anfühlt wie ein Zwischenzustand zwischen Wachsein und Traum.
Polizeioffizier Lok, kurz vor der Rente und an Schlaflosigkeit leidend, untersucht das Verschwinden von Wang. Wang war Wanderarbeiter aus China, der auf Baustellen zur Landgewinnung in Singapur arbeitete.
Lok taucht in das Leben von Wang ein. Die Recherche führt zu Ajit, einem Arbeiter aus Bangladesch, ebenfalls verschwunden. Bevor er selbst verschwand, suchte Wang das Verschwinden von Ajit aufzuklären.
Viel Zeit verbringt der schlaflose Lok, ebenso wie der vorher schlaflose Wang, in einem Cybercafé, wo beide Shooter spielen. Ob Lok existiert oder nur eine Traumvorstellung des Wang von sich selber ist, lässt der Film offen.
Wang und Lok treffen im Cybercafé auf die dort arbeitende Mindy. Wang und Mindy unternahmen nächtliche Joyrides auf die Baustellen und das neu geschaffene Land. Ein zentrales Motiv ist der Sand, der dort aufgeschüttet wird. Er stammt aus den Nachbarländern. Ist hier Singapur? Ist der Sand nicht malayisches Land? Oder thailändisches? Wann wird aus der Erde eines Landes die Erde eines anderen Landes?
Der Film bietet viel Leben, wenig Auflösung. Der Film endet mit Arbeitern aus Bangladesch und Lok, die um ein Lagerfeuer tanzen, die Stadt im Hintergrund. Abschlussbild ist eine einsame Figur, Wang?, der aus der Ferne auf die Skyline schaut. Diejenigen, die im wörtlichen Sinne, die Stadt auf dem Wasser erreichten und ihr doch fern bleiben.
Wir seufzten.
Kulinarische Weltreise
„Warum Singapur?“, fragte Hüpfburg.
„Das übliche“, antwortete ich. „Die kulinarische Weltreise“. Ein Blog-Event veranstaltet von Volkermampft. Jeden Montag trifft sich eine Schar von Blogger*innen, und widmet sich einem Land oder Thema. Nach Rumänien im März und vor Brot und Brötchen (Mai) und Mexiko (Juni) sind wir im April. Diesen Monat ist Singapur an der Reihe. Und nachdem eine auseinander fallende Autokupplung meinen japanischen Tempura-Kürbis sabotierte, scheint mir auch das zweite ostasiatische Land kein Glück zu bringen.
Dabei ist Singapur eigentlich spannend: eine Insel an der Südspitze Malaysias. Bewohnt wird sie von Chinesen (der Bevölkerungsmehrheit), Malays, Indern und den Eurasiern, nachkommen vor allem der Portugiesen, die hier einst siedelten: Hafenstadt, Finanz- und Tourismusmetropole. Mit seinem sehr sauberen, sehr sicheren, wirtschaftlichen erfolgreichen System einer autokratischen Demokratie, Vorbild für viele Politiker weltweit.
Aber es soll ja um Essen gehen. Singapur weist eine gigantische Streetfood-Kultur auf. Gekocht wird wenig zu Hause, meist findet das Essen in „Hawker-Zentren“ statt, überdachten und hygienisch überwachten Streetfood-Märkten.
Stand im Lau Pa Sat Hawker Center. Bild: Roast meat stall, Telok Ayer Market, Singapore von: Allie_Caulfield Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic
Zu meiner Überraschung gab es wenige Gerichte, die „Singapur-Singapur“ waren, fast alle gehörten in die Kategorien „Chinesisch-Singapur, Indisch-Singapur oder Malayisch-Singapur.“ Und, ich weiss nicht mehr warum, ich stolperte über Nasi Biryani (oder auch Briyani oder Biriyani). Vielleicht weil es auf eine typisch singapurische Ausprägung der malayischen Variante eines indischen Gerichts zurückgeht (das ursprünglich aus Persien kam). Vielleicht auch, weil es low and slow funktioniert.
Biryanis
Biryani ist eigentlich ein indisches Gericht, das auf persische Ursprünge zurückgeht. Es handelt sich um ein Gericht aus Safran-Reis und Lamm/Ziegen- oder Hǘhnerfleisch. Fast jede Region Indiens hat ihre eigene Varianten, die mit den Indern in den Rest Ostasians zogen.
Dum Biryani und Nasi Biryani
Es existieren zwei Biryani-Schulen. Beim Dum Biryani (auch Kachay gosht ki biryani oder Kacchi Biryani) werden Fleisch und Reis gleichzeitig gekocht, so dass die Sauce/Flüssigkeit/Brühe in den Reis eingehen. Dies ergibt einen sehr aromatischen Reis, wenig Sauce und ist aufgrund der eigentlich verschiedenen Garpunkte und – Temperaturen vergleichsweise anspruchsvoll.
Beim Dum Biryani werden die verschiedenen Bestandteile teils halb vorgegart, dann kunstvoll in der richtigen Reihenfolge gestapelt und schließlich in einem nahezu luftdicht verschlossenen Kochgefäß, dem Dum, sehr langsam fertig gegart.
Beim Nasi Biryani (auch Pakki Biryani) werden Fleisch, Sauce und Reis separat zubereitet und erst auf dem Teller zusammengefügt. Dies ergibt ein, in Singapur sehr geschätztes (https://www.goya.in/blog/nasi-briyani-singapores-ode-to-biryani), saucenreiches Essen.
Mich persönlich reizte das Low-and-slow Dum Biryani in seiner Zubereitung mehr. Nach einem Tag des Marinierens dachte ich „Aber Singapur“, schwenkte ich auf Nasi Biryani um und versuche, mich zu erinnern, was ich tat.
Rezept
Ich orientierte mich an: Chicken biryani recipe – how to cook the best rice dish in the world – und kombinierte dann verschiedene Nasi-Biryani-Rezepte
Zutaten
- Hühnerbeine
- Basmatireis
- Joghurt
- Butterschmalz
- Zwiebeln
- Limettensaft
- Frischer Koriander und Minze
- Kurkuma, Safran, grüner Kardamon, Kreuzkümmel.
- Ingwer
- Knoblauch
- Lorbeer
Marinieren
Zwiebeln kleinschneiden, anbraten bis sie dunkelbraun karamellisiert sind.
Eine Paste aus Joghurt, den Zwiebeln, Limettensaft, kleingehackter Minze, kleingehacktem Koriander (Bund beim Istanbuld-Supermarkt gekauft, also große Portion), Knoblauch, Chili, grüner Kardamon, Kreuzkümmel, Kurkuma, Koriandersamen rühren, Hühnerbeine damit einreiben und das ganze in einem verschließbaren Beutel über Nacht im Kühlschrank lassen.
Sauce
Huhn anbraten.
Die Marinierpaste mit den Hühnerteilen mit Brühe aufgießen, durchkochen. Wenn durchgegart: Hühnerteile entnehmen, Hühnerfleisch von den Knochen trennen und wieder hinzufügen.
Reis
Ich gab mir Mühe und machte es anständig: Reis 10 Minuten einweichen, abspülen, 10 Minuten einweichen, abspülen, 10 Minuten einweichen, abspülen.
In der Zwischenzeit Zwiebeln, Kardamon und Kreuzkümmel in Butterschmalz (Ghee) anbraten). Reis mit Brühe, Safran, Kurkuma und Zimt Kochen. Sollte ich öfter machen. Schmeckt fluffig.
Es war sehr fein: aromatisch, zart und voller Sauce. Ich werde wohl noch einige Zeit damit verbringen, das Rezept zu rekonstruieren.
Singapur lesen
Wäre mir mehr Zeit geblieben, hätte ich es mit Singapur-Literatur versucht. Hier einige Tipps, von Menschen, die sich auskennen:
Local literature from Singapore to read now
World Book Day 2021: 6 Singapore Literary Insiders Share Their Favourite Books
Singapur kochen
Und natürlich das Beste zuletzte, die Liste der anderen Rezepte der Kulinarischen Weltreise
Britta von Brittas Kochbuch mit Korean Popcorn Chicken
Britta von Brittas Kochbuch mit Shiok Singapur – Ein Buch und ein paar Gedanken zum Reiseziel
Cornelia von SilverTravellers mit SINGAPUR Essen und Trinken (+Rezept Singapore Sling)
Sonja von fluffig & hart mit Nasi goreng Singapore-Style
Kathrina von Küchentraum & Purzelbaum mit Singapur Nudeln
Wilma von Pane-Bistecca mit Singapore Style Noodles, ein Gericht, das den falschen Namen traegt
Britta von Backmaedchen 1967 mit Strawberry Mousse Jelly Cake
Petra aka Cascabel von Chili und Ciabatta mit Gedämpfter Klebreis nach Hokkien-Art
Cornelia von SilverTravellers mit Afternoon Tea – ein stilvolles Erlebnis in Singapur
Gabi von Langsam kocht besser mit Chicken Satay & Nasi Impit
Simone von zimtkringel mit Asem-Asem Daging
Petra aka Cascabel von Chili und Ciabatta mit Freestyle-Spare Ribs mit scharfer Honigglasur und Sprossenbrokkoli
Susanne von magentratzerl mit Garnelencurry mit Ananas
Sonja von fluffig & hart mit Chicken Satay
Cornelia von SilverTravellers mit Papaya Salat – die Rettung für unreife Papayas
Regina von bistroglobal mit Singapur Laksa mit Fisch und Hähnchen
Britta von Brittas Kochbuch mit Schnelles Fischcurry mit Tomaten und Kurkuma
Wilma von Pane-Bistecca mit Curry Puffs – Food from Singapore
Britta von Brittas Kochbuch mit Teh Tarik Crème brûlée mit Erdbeer-Bananen-Sorbet
Britta von Brittas Kochbuch mit Duck Fried Rice
Wilma von Pane-Bistecca mit Five-Spice Shrimp Cakes
Ute von wiesengenuss mit Singapur – Laksa mit Garnelen, Kokos und rau ram
Britta von Backmaedchen 1967 mit Kokos Flower Buns
Manuela von Vive la réduction! mit Bombay-Kartoffeln und Fischcurry mit Tomaten und Kurkuma
Cornelia von SilverTravellers mit Pomelo Salat mit Minze
Michael von SalzigSuessLecker mit Sugee-Cake
Tina von Küchenmomente mit Semifreddo-Dessert aus Singapur
Britta von Brittas Kochbuch mit Ban Mian – Nudelschale mit Schweinehack und Pak Choi
14 thoughts on “Nasi Biryani und Singapur”
Comments are closed.
Mal ganz abgesehen von der einzigartigen Einleitung und dem verheißungsvollen Rezept: deine Schälchen sind wunderhübsch!
Das Kompliment gebe ich gerne weiter an die Aussucherin 🙂 Stammen aus einem japanischen Laden in Frankfurt und Ergänzungsstücke suchen wir seitdem auch vergeblich.
ALLE deine Bilder im Kopf sind uns auch vor Ort quasi so begegnet. Gerade das fand ich so reizvoll – Schweiz, Italien, USA, Kambodscha, Indien, GB, Indonesien – alles zusammen in den Mixer geschmissen und raus kommt Singapur. Und hervorragendes Essen 😉 Du solltest dir mal echte Bilder davon gönnen 🙂
Ich wundere mich auch – ich war ja in Hongkong und total geflasht und atemberaubt; und ich habe schon den Eindruck, dass die beiden Städte vage in dieselbe Richtung funktionieren. Vielleicht muss ich wirklich hin.
Das sieht großartig aus. Ich liebe Biryani, und diese Variante kannte ich noch nicht.
Das sieht sehr lecker aus, dass Rezept ist genau nach meinem Geschmack.
Liebe Grüße
Britta
Von vorne bis hinten sehr schön!
Gruß aus dem Süden
Simone
Das sieht sehr lecker aus. Und wieder so unterhaltsam geschrieben…
Eine sehr unterhaltsame Einleitung und dann noch ein köstliches Rezept – was will man mehr?
Da ging es dir ja wie mir…zu Singapur fiel auch mir zuerst gar nichts ein.
Aber was soll ich sagen? Dir ist wieder ein großartiger Beitrag gelungen inkl. des Nasi Biryani natürlich.
Liebe Grüße nach Berlin
Tina
Hallo Dirk,
ich hoffe das Dich die Brote & Brötchen und Mexiko vor weniger Herausforderungen stellen 😉
Aber schön, dass Du Dich dieser angenommen hast. Da wir noch das Rote N bezahlen, nehme ich den Film gleich mal auf meine Liste.
Gruß Volker
Über Streetfood mit Michelinstern bin ich auch gefallen. Es sind halt doch Gegensätze in Singapur, sei es das multiethnische Essen oder die Politik.
Ich kann dir verraten, dass Hong Kong und Singapore sehr verschieden sind. Aber das musst du selber mal erlebt haben, um die Unterschiede zu sehen. Singapore ist sehr malayisch/indonesisch/indisch influenced, Hong Kong sehr viel chinesischer.
Super gute Erklaerung zu den Biryani Rezepten! Sieht auch sehr lecker aus bei dir.
LG Wilma